Live-Übertragung abgelehnt

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Für die Mehrheit des Gemeinderats sind digitale Ratssitzungen offenbar noch #Neuland, vor dem man Angst hat. Diesen Eindruck konnte man gewinnen, wenn man die Diskussion im Rat zu unserem Antrag „Digitale Ratssitzungen“ verfolgte. Eine Live-Übertragung der Sitzungen per Video-Streaming wurde mit 12:9 Stimmen abgelehnt. Dafür stimmten unsere Grüne/BI-Fraktion (5), die SPD (2), die FDP (1) und der Bürgermeister, dagegen die Fraktionen FWG, CSU, BVS.

Die Verwaltung hatte im Vorfeld einen ablehnenden Beschlussvorschlag abgegeben. Dies wurde mit datenschutzrechtlichen Bedenken und hohen Kosten begründet.

Wir können die Einwände beim Datenschutz nicht nachvollziehen, denn andere Kommunen in Bayern (z.B. Bayreuth, Passau, Pfaffenhofen, München) übertragen ihre Sitzungen bereits seit geraumer Zeit im Internet.

Auf meine Nachfrage, wie sich die Kostenschätzung von 1000 € pro Sitzung erklären lässt, blieb die Verwaltung eine Antwort schuldig. Typische datenschutzkonforme Videokonferenzsysteme wie BigBlueButton oder Jitsi sind zum Nulltarif zu haben und die meisten Ratsmitglieder haben ohnehin ein privates Tablet oder Notebook auf dem Tisch stehen. Ein derart hoher Betrag ist daher für uns nicht nachvollziehbar.

Hauptpunkt in der Diskussion war aber der Faktor Angst. Man befürchtet, dass „der politische Gegner“ Videomaterial der eigenen Statements missbrauchen könne und dass die Diskussionen unsachlicher würden. Abgesehen davon, dass wir in unserem Antrag bewusst eine maximale Speicherdauer von 7 Tagen gefordert hatten, machen Kommunen, die eine Live-Übertragung eingeführt haben, genau gegensätzliche Erfahrungen. Die Kleinstadt Bad Dürkheim (Rheinland-Pfalz) hat Ende letzten Jahres digitale Sitzungen eingeführt und berichtet in einer Infoveranstaltung, dass die Sitzungen seitdem disziplinierter ablaufen.

Wir finden die angstgetriebene Haltung schade und sehen eher die Chancen digitaler Ratssitzungen:

  • Infektionssicheres Verfolgen von Gemeinderatssitzungen von daheim
  • Keine Abweisung an der Tür, wenn die limitierten Zuschauerplätze voll sind
  • Chance, mehr Bürger*innen für Gemeinde-Themen zu begeistern
  • Es käme jungen Familien zugute, die wegen der Kinder abends nicht zu Sitzungen kommen können.

Auch hier ist das Praxis-Beispiel Bad Dürkheim lehrreich: Anfangs war ein Teil des Gremiums skeptisch. Nach einem positiven Corona-Test eines Ratsmitglieds konnte es allen nicht schnell genug gehen und man stellte die Live-Übertragung innerhalb von zwei Wochen auf die Beine.

Hybride Sitzungen
Um die Arbeitsfähigkeit des Ratsgremiums auch bei steigenden Infektionszahlen sicherzustellen, hat der Landtag einen Gesetzentwurf der regierenden CSU/FW-Koalition verabschiedet, der eine remote-Teilnahme von Ratsmitgliedern erlaubt. Technisch ist dies mit einem Live-Stream für Zuschauer vergleichbar, nur dass sich in diesem Fall die Ratsmitglieder von zuhause zuschalten.

Auch bei diesem Thema wurden vonseiten der Verwaltung und einiger Ratsmitglieder Bedenken geäußert. Denn das Gesetz zu den Hybrid-Sitzungen ist erst seit wenigen Tagen in Kraft und es fehlen noch einschlägige Erfahrungen. Wir sind hier der Meinung, dass wir schnell die Voraussetzungen schaffen sollten, den Gemeinderat auch bei steigenden Infektionszahlen handlungsfähig zu erhalten. Es hilft uns nichts, bis in den Herbst zu warten, wenn wir aktuell in der dritten Pandemie-Welle stecken.

Daher sind wir erleichtert, dass sich der Rat einstimmig dafür ausgesprochen hat, dass ein Vorschlag zur Änderung der Geschäftsordnung ausgearbeitet und Kosten ermittelt werden. Wir hoffen, dass wir in der nächsten Sitzung Nägel mit Köpfen machen können, um für alle Szenarien vorbereitet zu sein. Nachbargemeinden wie Weßling und Gauting machen es vor.

Ortwin Gentz