Gemeinderat stellt Weichen für Klinik im Aubachtal

Hanna von Prittwitz in „Auf dem Weg zum Klinikneubau“, Starnberger Merkur, 22.4.2021:

„Der Gemeinderat Seefeld befürwortet die Errichtung einer neuen Klinik an einem neuen Standort im Gemeindegebiet und stellt die Schaffung der planungsrechtlichen Voraussetzungen hierfür in Aussicht.“ So lautet der nüchterne Beschluss, den Seefelds Räte am Dienstagabend gegen drei Stimmen getroffen haben.

Die Gemeinderäte der BI lehnten diesen Beschluss ab, da aus ihrer Sicht die Faktenlage für einen Neubau auf einer neuen Fläche nicht ausreichend ist.

Das BayKrG (Bayerisches Krankenhausgesetz) sieht auch die Möglichkeit der Förderung von Bestandsbauten vor: Im Rahmen der Einzelförderung werden „Krankenhäuser[…] (Umbau, Erweiterungsbau, Neubau)“ gefördert (Art. 11 BAyKrG). Das bedeutet, dass auch Umbauten und Erweiterungsbauten an bestehenden Standorten für eine Förderung in Betracht kommen. Anstatt ständig neue Flächen zu versiegeln, sollten alle Möglichkeiten des Ausbaus bereits versiegelter Flächen eruiert werden. Wir können uns diesen weiteren Flächenverbrauch nicht mehr leisten. Seit 50 Jahren wird bereits darauf hingewiesen (vgl. z.B. Keller: „Bauen als Umweltzerstörung“, Zürich 1973; Wieland, Bode & Disko: „Grün kaputt“, München 1983).

Christine Setzwein in „Aufgeheizte Stimmung wegen Klinik im Landschaftsschutzgebiet“, Süddeutsche Zeitung, 22.4.2021:

In einem neuen Krankenhaus für die Bevölkerung des westlichen Landkreises sollen die Kliniken Seefeld und Herrsching zusammengelegt werden. Die Gegner des Vorhabens haben sich bereits positioniert: Grüne, Bürgerinitiative Eichenallee (BI) und Bund Naturschutz (BN).

Hier wurden wir falsch wiedergegeben. Die Bürgerinitiative Eichenallee (und auch die Grünen und der Bund Naturschutz) sind nicht gegen eine Zusammenlegung der Kliniken. Wie oben erwähnt lehnten die Gemeinderäte der BI den Beschluss aufgrund der unvollständigen Faktenlage ab.

Vor der Tür verharrten Befürworter und Gegner des Projekts. Wegen ihnen drohte Dr. Oswald Gasser (FDP) zwischendrin damit, die Polizei zu holen.
(Merkur)

Es ist nicht nur so, dass der Prozess der Standortsuche komplett in nicht-öffentlichen Sitzungen des Gemeinderats ablief. Die Öffentlichkeit wurde aus der ersten Sitzung, in der das Thema öffentlich behandelt wird, aktiv ausgeschlossen.

Unsere Grüne/BI-Fraktion hat Monate im Voraus bereits darum gebeten, virtuelle, d.h. digitale Sitzungen mit Livebildübertragung zu ermöglichen, da die Zuschauer*innenanzahl auf sehr wenige Plätze begrenzt ist. Da zu erwarten war, dass das Thema „Krankenhaus“ in der Öffentlichkeit auf breites Interesse stoßen würde, wurde von uns mehrfach der Wunsch nach Verlegung des Tagungsortes z.B. in die Hechendorfer Turnhalle geäußert, die mehr Publikum fassen kann. Bürger*innenbeteiligung sieht anders aus. Es entsteht der Eindruck, dass die jahrzehntelang eingeübte politische Praxis weiter fortgesetzt werden soll.

Kögel erläuterte, wie es zum Standort östlich des Friedhofs Lindenallee, zwischen Bahngleisen und Bahnhofstraße kam. Acht Standorte seien von Gemeinderäten, Vertretern der Landes- und Regionalplanung, Landratsamt, Unterer Naturschutzbehörde und Wasserwirtschaftsamt unter die Lupe genommen worden.
(SZ)

Schade, dass die Einschätzungen der Fachbehörden zu den einzelnen Standorten bisher nicht veröffentlicht wurden. Wir hoffen, dass dies nun bald erfolgen wird, um der mangelnden Transparenz gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern zu begegnen.

Wir fragen uns auch: warum wird dieses Vorhaben, das unseren Ort für die nächsten Generationen prägen wird, nicht im Ortsentwicklungsprozess aufbereitet und diskutiert? Genau für solche Fragen gibt es das Instrument.

„In merkwürdiger Weise wird hier das eigentliche Ziel staatlicher Politik verdreht: Nicht mehr die langfristige Sicherung der natürlichen Existenzgrundlagen ist oberstes Ziel, sondern die Eigensicherung der politischen Funktionäre durch Erfüllung von Wählerwünschen nach Waren, Dienstleistungen oder Arbeitsplätzen, mögen diese auch angesichts der Unmöglichkeit eines ständigen wirtschaftlichen Wachstums in einer Welt mit nur begrenzten Ressourcen und Belastbarkeiten ökologisch noch so unvernünftig sein.“ (Sening, Christoph: „Rechtlich bedeutsame Ursachen der Umweltzerstörung“ in: Wieland, Bode & Disko: „Grün kaputt“, S. 147f., Raben Verlag München 1983)


Karte: Im Rahmen des Fachbehördengesprächs untersuchte Standorte für einen potentiellen Krankenhausstandort. Nicht auf der Karte verortet sind nicht näher bezeichnete Standorte in den kleinen Ortsteilen Drößling, Unering und Meiling.

Johanna Senft (BVS) sagte, sie sei empört über die Petition, die mit „falschen Tatsachen und Halbwahrheiten“ arbeite und eines demokratischen Prozesses unwürdig sei.
(SZ)

Anstatt solche Anschuldigungen aus der Luft zu greifen, fordern wir diejenigen, die solche Vorwürfe verbreiten, auf, ihre Behauptungen im Detail nachzuweisen. Ansonsten betrachten wir die Anschuldigungen als substanzloses Getöse. Denn die in der Petition dargelegten Fakten wurden sorgfältig recherchiert. Auch sind Petitionen ein völlig legitimes Instrument der demokratischen Willensbildung. Wir können nachvollziehen, dass nicht alle unsere Meinung teilen. Die Petition aber als „eines demokratischen Prozesses unwürdig“ zu brandmarken, zeugt umgekehrt von einem merkwürdigen Demokratieverständnis.

Schlecht (FWG) erinnerte an die Historie der Landschaftsschutzgebiete. In den 1970er-Jahren habe der Landkreis bis an die Ortsränder alles unter Schutz gestellt, ohne zu prüfen, ob es auch schutzwürdig sei.
(SZ)

Oswald Gasser war es wichtig „festzuhalten, dass wir erst am Anfang des Prozesses sind“. Nur weil eine Fläche im Landschaftsschutz liege, sage dies nichts darüber aus, wie schützenswert sie sei.
(Merkur)

Die Kollegen Gasser und Schlecht übersehen dabei, dass gerade die ausgewählte Fläche im Aubachtal nicht nur im Landschaftsschutzgebiet, sondern auch im Regionalen Grünzug liegt, Bestandteil eines Biotopverbundsystems ist und von Biotop- und FFH-Flächen eingerahmt wird.

Peter Schlecht (FWG) wollte „endlich mal weiterkommen“. Seit einem halben Jahr tue die Gemeinde an der Standortsuche rum.
(Merkur)

Landrat Frey sagte (…) „Wir brauchen Planungssicherheit und keine langen politischen Debatten.“
(SZ)

Soll hier etwa die gerade erst begonnene öffentliche Diskussion bereits im Keim erstickt werden?

Schlimm genug, dass beim Flächenauswahlprozess weder die Bürgerinnen und Bürger noch Träger öffentlicher Belange wie die anerkannten Naturschutzverbände mit ihrer Expertise eingebunden wurden. „Wer an den Dingen seiner Stadt keinen Anteil nimmt, ist nicht ein stiller Bürger, sondern ein schlechter.“ (Perikles, ca. 490-429 v. Chr.)

[Dennis Weber] beklagte, dass die Gemeinderäte für die nicht öffentliche Sitzung am 13. April mit Starnbergs Klinikchef Dr. Thomas Weiler und Landrat Frey nur eine Seite an Unterlagen erhalten hätten. „Uns haben Fakten gefehlt.“ Das habe dem Prozess geschadet. „Bitte langweilen Sie uns mit Details“, bat er Frey.
(Merkur)

Wir können nicht nachvollziehen, dass dem Gemeinderat selbst bei unbedeutenden Beschlüssen zum Teil Hunderte von Seiten an Material zur Verfügung gestellt werden, bei einem solch einschneidenden Vorhaben unser Fragenkatalog aber mit nur einer einseitigen Antwort abgehandelt wurde. Einer Antwort, die zudem die meisten Fragen unter Verweis auf die Unternehmensstrategie offen lässt. Eine Veröffentlichung dieser Kurz-Antwort hat Landrat Frey verweigert.

„Landschaftsschutz ist Menschenschutz“, stellte Nikolas Rathert dagegen. Aber er sei überzeugt „dass wir den besten Standort finden“. Jedoch solle man das interkommunal betrachten. „Das klingt so, als wäre eine Wiese in einer anderen Gemeinde weniger schützenswert“, antwortete Gum. Und stellte den Antrag auf Schluss der Debatte. Mit 13 zu 8 wurde dieser abgelehnt.“
(Merkur)

Ein Krankenhaus in der geplanten Größenordnung dient nicht nur der Versorgung der Gemeinde Seefeld mit ihren Ortsteilen, sondern ist als Teil der Daseinsvorsorge aus interkommunaler Perspektive zu sehen. Dies bezeugt die in der Presse veröffentlichte Stellungnahme der sieben Bürgermeister*innen des westlichen Landkreises. Wenn also nicht nur eine oder zwei Gemeinden auf dieses Krankenhaus angewiesen sind, warum wurde dann die Grundstückssuche auf zwei Gemeinden (Herrsching, Seefeld) beschränkt? Wir setzen uns für den „Blick über den Tellerrand“ ein, der jetzt als Übung, später dann aber als Notwendigkeit begriffen werden muss, um die kommenden Probleme und Herausforderungen des Klimawandels gemeinsam lösen zu können. Frei nach John Donne (1572-1631): Keine Gemeinde ist eine Insel.

Frey verwehrte sich den Vorwurf, der Landkreis habe eine einfache und billige Lösung gesucht. „Wir stecken viel Geld in Gutachten und Verfahren und sehen auch erst am Ende, ob wir eine Baugenehmigung kriegen.“(Merkur)

Bei einem Multi-Millionen-Projekt sollte es möglich sein, für den Erwerb eines Grundstücks, das nicht durch Landschafts- bzw. Naturschutzvorbehalte belegt ist, einen gewissen Mehrbetrag zu zahlen, um ein Grundstück näher an der bisherigen Bebauung, welches bereits teilversiegelt ist, für das Krankenhausvorhaben zur Verfügung zu stellen. Landschaft und Natur haben es schwer, weil in der heutigen Zeit von allem der Preis, von wenigem aber der Wert im Bewusstsein ist. Vor allem die anthropozentrische Weltsicht, die den Mensch in den Mittelpunkt stellt, hat dazu beigetragen, dass alles menschliches Handeln sich immer nur um den Menschen dreht. Allerdings kurzsichtig – denn Menschenschutz beginnt mit Nicht-Handeln, d.h. bewahren, erhalten, wachsen lassen. Gutachten sind der Ausfluss der Gedanken der Ökonomisierung der Natur. Doch die hat keinen Preis.

Wir fordern die Veröffentlichung der Ergebnisse der angesprochenen Gutachten und Verfahren, die es der Öffentlichkeit ermöglichen, sich ganz ungefiltert selbst ein Bild vom Vorhaben „Krankenhaus“ machen zu können.

Nikolas A. Rathert, Ortwin Gentz