Unwürdiger Vorgang

Klinik-Neubau in Seefeld

Leserbrief in der Süddeutschen Zeitung, 27.4.2021:

Nach wiederholten Sitzungen im Geheimen befürwortete in öffentlicher Sitzung eine Mehrheit der Gemeinderäte in Seefeld: dem Landkreis soll für einen Klinikneubau eine Fläche im Aubachtal zwischen Hechendorf und Seefeld angeboten werden. Entscheiden sollen aber die Bürger in einem Ratsbegehren. Mit welcher Fragestellung? Wollt ihr den Erhalt der Heimat oder lieber gesundheitliche Grundversorgung? Die entscheidenden Fragen nach den Flächen sind dabei schon beantwortet. Man gewinnt den Eindruck: das Ratsbegehren soll lediglich im Nachhinein legitimieren, was längst entschieden ist.

Über die Kritiker dieses Vorgehens wird geschrieben, dass sie sich „schlecht informiert fühlen“ und dass „ihnen das alles zu schnell geht“. Als Bürger Seefelds teile ich diese Ansicht. Bezogen auf die Kliniken in Seefeld und Herrsching (Gesamtkapazität 192 Betten) heißt es: „beide defizitären Häuser sollen nun in einem Neubau mit knapp 200 Betten zusammengelegt werden.“ Eine Erklärung, wie dieses Vorgehen die ökonomische Lage oder die medizinische Grundversorgung verbessern soll, suche ich bis heute vergeblich.

Die meisten Bürger, die der Gemeinderatssitzung beiwohnen wollten, mussten draußen bleiben. Ihnen konnte auf Grund der Corona-Regeln kein Zutritt gewährt werden. Einige Gemeinderäte hatten im Vorfeld gebeten, die Sitzung in größere Räume zu verlegen oder für eine Übertragung zu sorgen, um der Öffentlichkeit Zugang zu ermöglichen. Dem wurde nicht stattgegeben. Als ich mit Abstand und Maske vor dem Sitzungssaal stand und nicht hinein durfte, wurde mir von einem Mitarbeiter der Gemeinde zugerufen: „Rotten Sie sich nicht zusammen!“ Das symbolträchtige Schließen des offenstehenden Fensters durch besagten Mitarbeiter lässt darauf schließen, dass es hier weniger um Infektionsschutz ging, als um einen Ausschluss der Öffentlichkeit.

Mancher Gemeinderat wollte sogar die Polizei rufen. Der Bürgerinitiative und dem Bund Naturschutz wird vorgeworfen, „mit falschen Tatsachen und Halbwahrheiten“ zu arbeiten, sie seien eines „demokratischen Prozesses unwürdig“. Aber: die Bürger von den wichtigen Diskussionen fernzuhalten und Bürgern, die an öffentlichen Sitzungen teilnehmen wollen, indirekt zu drohen – ganz ehrlich –, das nenne ich eines demokratischen Prozesses unwürdig.

Dr. Sebastian Beer
Seefeld