Kulturgeschichte wahren

Langfassung des Leserbriefs, der in der Süddeutschen Zeitung vom 17.5.2021 in gekürzter Version abgedruckt wurde:

Nach den Luftaufnahmen soll das Krankenhaus für 200 Klinikbetten östlich des neuen Friedhofs auf der großen Wiese zwischen dem Friedhof im Westen und dem Ödenbächl im Osten auf einem leicht nach Osten geneigten Gelände gebaut werden. Den gewaltigen Bedarf an Parkplätzen, die für das neue Krankenhaus notwendig werden, sowie die Flächen für Personalwohnungen behandelt keiner der Berichte.

Die Fläche liegt im Landschaftsschutzgebiet „Westlicher Teil des Landkreises Starnberg“, das unter der Ägide von Landrat Widmann (FDP) im Jahr 1972 unter Schutz gestellt wurde. Sein Anliegen war, die noch vorhandene historische Kulturlandschaft zwischen Starnberger und Ammersee gegen den schon damals vorhandenen Baudruck zu erhalten. Heute wird immer über den Flächenfraß durch Bebauung geklagt, aber man fällt im Denken hinter das der Siebziger Jahre zurück.

Im Bereich Seefeld-Hechendorf ist die Landschaft wegen ihrer besonderen Schönheit bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bis in das 19. Jahrhundert in zahlreichen Ansichten von Malern festgehalten worden: das baumreiche Aubachtal mit dem Pilsensee im Vordergrund, der Ammersee im Hintergrund, Schloss Seefeld als optischer Mittelpunkt, in der Ferne die Kirche von Widdersberg und/oder Kloster Andechs. Vergleiche z.B. die Darstellungen von Dillis (1790/95), Warnberger (nach 1800), Wagenbauer (ca. 1805/06), Kraus (1837), Riegel (1860), wiedergegeben bei Schober: „Bilder aus dem Fünfseenland“ (1979, Bildnummern 55, 74, 82, 170 und 202).

Man kann auch heute noch verstehen, warum diese detailreiche Landschaft schon damals die Maler gefesselt hat, mögen sie auch den Vordergrund dem Zeitgeschmack entsprechend unterschiedlich idealisierend wiedergegeben haben. Der damalige Gesamteindruck ist heute immer noch vorhanden.

Ein Klinikneubau für 200 Betten und eine enorme Anzahl von Parkplätzen an einer Engstelle des Aubachtals wird diese historische Kulturlandschaft für immer in ihrem Erlebniswert entwerten. Das gilt sowohl für den Blick von Hechendorf auf das Seefelder Schloss als auch für den Blick vom Schloss und seinem Umgriff Richtung Meiling und Delling. Der Neubau ist damit unverträglich mit dem kulturgeschichtlichen Wert dieser Landschaft, die auch für die Erholung und den Tourismus bedeutsam ist. Kulturgeschichte und Erholung werden im Landkreis Starnberg leider durch weithin sichtbare Neubauten immer weniger beachtet.

Die einfachste Lösung besteht darin, die beiden verbesserungsfähigen Krankenhäuser in Seefeld und Herrsching auch dann finanziell zu unterstützen, wenn sie Fördervorschriften nicht entsprechen. Denn Fördervorschriften sind kein Heiligtum! Von abstrakten Richtlinien müssen Ausnahmen gewährt werden, wenn im Einzelfall – wie hier – wichtige Belange entgegenstehen. Schließlich ist Bayern nach seiner Verfassung von 1946 ein Kulturstaat (Art. 3 BV).

Dr. Christoph Sening
Pöcking

Oben:
Simon Warnberger nach Johann Georg von Dillis
Seefeld am Pilsensee, 1802
Technik: Umrissradierung, aquarelliert
Blattmaß: 347 x 450 mm
Inv.-Nr. 1965:15 D
Staatliche Graphische Sammlung München

Eva Kellner
Blick von der Dellinger Höhe ins Aubachtal
Aquarell