Faktencheck zur Podiumsdiskussion des Starnberger Merkur

Mit großem Interesse haben wir die Podiumsdiskussion des Starnberger Merkur mit den vier Seefelder Bürgermeisterkandidat*innen verfolgt. Endlich kam es zum lange erwarteten Austausch aller Bewerber*innen.

Bedauerlich, dass eine Videoaufzeichnung trotz der Bitte von Thomas Zimmermann und Klaus Kögel nicht zustande kam – zumal längst nicht alle Interessierten im viel zu kleinen Saal Platz fanden. Hanna von Prittwitz fasst die einzelnen Positionen in ihrem Bericht (Ringen um die besten Argumente) umfassend zusammen.

Mit einem Faktencheck möchten wir einige der Aussagen überprüfen bzw. in den richtigen Kontext setzen.

Aussage #1 (Petra Gum):

Grundsätzlich stehe die Gemeinde blendend dar [sic]. Nie sei mit Flächen geaast worden. „Wir haben in der Gemeinde 0,9 Prozent Gewerbeflächen und 80 Prozent Vegetation.“

Im Rahmen des Ortsentwicklungsprozess wurden vom Planungsverband Zahlen vorgelegt. Leider reichen die neusten Zahlen nur bis zum Jahr 2015. (Im Lenkungskreis wurde seitens des Bund Naturschutz mehrfach die Bereitstellung aktuellerer Zahlen zum Flächenverbrauch beantragt, leider konnte der PV dem bislang nicht nachkommen.) Aus der Tabelle „Flächeninanspruchnahme“ (S. 34 der Präsentation der 3. Lenkungskreis-Sitzung am 19.09.2019) geht hervor, dass die in Anspruch genommene Siedlungs- und Verkehrsfläche von 2010 bis 2015 von 393 ha auf 439,24 ha gestiegen ist. Das entspricht einem durchschnittlichen Jahresverbrauch von 9,25 ha.

Im bayerischen Koalitionsvertrag (S. 30) ist ein Ziel von 5 ha in Anspruch genommener Siedlungs- und Verkehrsfläche pro Tag für ganz Bayern festgelegt. Das entspricht einem Ziel von etwa 1 ha pro Jahr für die Fläche von Seefeld. Im Zeitraum 2010-2015 wurde in Seefeld also mehr als das neunfache dieses Flächenbudgets verbraucht.

Aussage #2 (Johanna Senft):

Sie erinnerte aber auch daran, dass die Verhandlungen mit Eigentümern oftmals sehr langwierig und schwierig seien. „Zu sagen, das geht jetzt schnell, ich war bei Siemens, geht so nicht“, attackierte sie den Wirtschaftsmann Zimmermann.

Die Aussage wurde von Thomas Zimmermann nicht gemacht. Im Gegenteil, Zimmermann weist immer wieder darauf hin, dass es nicht sinnvoll ist, eine Gewerbefläche an problematischer Stelle im Landschaftsschutzgebiet auszuweisen, da es viele Jahre dauert, bis die Fläche bereitgestellt und erschlossen ist – ganz abgesehen von der unklaren bis skeptischen Haltung Münchens als Eigentümerin der Fläche bei Gut Delling. Noch länger dauert es, bis erste positive Einnahmen aus der Gewerbesteuer realisiert werden können. Er bevorzugt daher schneller erschließbare Flächen wie z.B. zwischen Feuerwehr und Inninger Straße in Hechendorf.

Aussage #3 (Johanna Senft):

Natürlich ging es auch um den viel zitierten Acker bei Gut Delling, der ebenfalls als Standort für Gewerbe geprüft wird. Senft beklagte, dass mit zu großen Zahlen hantiert werde. „Sie verdrehen Fakten, die richtige Wahrheit ist eine andere“, sagte sie zu Zimmermann.

Unseres Wissens nach gibt es keine öffentlich verfügbaren Quellen, die den Umgriff der bei Gut Delling anvisierten Fläche belegen. In der Presse (Starnberger Merkur, SZ) ist die Rede von 15 Hektar, diese Darstellung wurde zumindest vonseiten der Gemeinde nie korrigiert. Im Gemeinderatsbeschluss vom 14.1.2020 ist nur lapidar die Rede vom „Standort bei Gut Delling“.

Sofern es öffentliche Quellen gibt, die eine andere Faktenlage beschreiben, halten wir eine offizielle Richtigstellung der Gemeinde für angebracht. Bis dahin halten wir es für schwierig, der anderen Seite die Verdrehung von Fakten vorzuwerfen.

Aussage #4 (Johanna Senft):

Aus der Idee von TQ-Systems-Chef Detlef Schneider sei „ein Märchen“ entstanden samt Online-Petition, „die auch Menschen aus Australien unterzeichnet haben“. Man dürfe nichts mehr sagen, ohne an den Pranger gestellt zu werden, sagte sie. „Keiner möchte Landschaft zerstören, aber wir müssen uns ohne Denkblockade entwickeln dürfen.“

Die Aussage, dass Menschen aus Australien unterzeichnet haben, ist nicht belegt und nicht belegbar. Der Grund ist, dass Online-Petitionssysteme wie change.org eine Lokalisierung auf IP-Adress-Ebene vornehmen, die systembedingt fehlerbehaftet ist. Zudem ist nicht ausgeschlossen, dass Seefelder in Australien Urlaub machen.

Natürlich wollen wir nicht verschweigen, dass viele der über 5000 Unterzeichner keine Seefelder sind. Denn von der Planung sind viele Bewohner aus Nachbargemeinden betroffen, die im Wege einer Online-Petition durchaus ihre Meinung kundtun dürfen.

Im Unterschied zu einem Bürgerbegehren, bei dem nur Gemeindebewohner*innen unterzeichnungsberechtigt sind, geht es bei einer Online-Petition in erster Linie um eine möglichst schnelle Informationsweitergabe und um ein Meinungsbild, nicht um eine rechtlich bindende Forderung.

Die Aussage, man dürfe nichts mehr sagen, ohne an den Pranger gestellt zu werden, lässt eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Thema vermissen. Im politischen Diskurs ist es völlig normal, dass unterschiedliche Auffassungen zu bestimmten Sachfragen öffentlich kommuniziert werden. Uns geht es nicht um persönliche Angriffe, aber eine sachliche Auseinandersetzung muss man aushalten können, vor allem als Kandidatin für den Bürgermeister-Posten. Die Wählerinnen und Wähler haben ein Recht darauf, über das bisherige Abstimmungsverhalten im Gemeinderat informiert zu werden. Auch Frau Senft hat für das Scoping-Verfahren unter Einbeziehung des Standorts Delling gestimmt.

Aussage #5 (Klaus Kögel):

Kögel erinnerte an die restriktive Haltung der Stadt München und daran, dass die CSU den Acker bei Gut Delling als Gewerbestandort von Beginn an abgelehnt habe.

Wenn Herr Kögel mit „CSU“ sein Wahlkampf-Team meint, so ist die Aussage nicht zu beanstanden und trifft auf unsere Zustimmung. Wir müssen aber daran erinnern, dass die amtierenden CSU-Gemeinderäte geschlossen für das Scoping-Verfahren unter Einschluss des Standorts Delling gestimmt haben. Dazu gehört auch Herr Dreyer, der nach wie vor für die CSU kandidiert. Wenn man diesen Standort wirklich im Gemeinderat hätte ablehnen wollen, hätte man die Herausnahme dieses Standorts aus der Liste der Scoping-Alternativen beantragen müssen.

Ortwin Gentz