Seefeld, wie hältst Du’s mit Offenheit und Bürgerbeteiligung?

Eine zentrale Forderung in unserem Wahlprogramm lautete:

Wir treten für eine transparentere Arbeit des Gemeinderats ein und wollen die Bürger*innen frühzeitig und umfassend in sämtliche Projekte und Entwicklungen einbinden.

In der letzten Gemeinderatssitzung am 28.7.2020 ging es um genau dieses Thema. Anlass war die Diskussion und Verabschiedung der neuen Geschäftsordnung des Gemeinderats, die turnusmäßig zu Beginn einer neuen Sitzungsperiode aktualisiert wird. Die Geschäftsordnung bildet das Regelwerk für die Zusammenarbeit von Gemeinderat, Bürgermeister und den Bürger*innen. Sie ist damit die Grundlage, um das oben genannte Leitbild umzusetzen.

Wurde das Ziel von mehr Bürgerbeteiligung und Transparenz erreicht?
Teilweise. Werfen wir dazu einen Blick auf unsere Änderungsvorschläge:

1. Schnellere Veröffentlichung von Beschlüssen aus nicht-öffentlichen Sitzungen
Beschlüsse aus nicht-öffentlichen Sitzungen müssen bekanntgegeben werden, sofern es keine Gründe für eine Geheimhaltung gibt. In der Vergangenheit dauerte es mitunter recht lang, bis dies passierte. Das führte dazu, dass die Bürger*innen im Unklaren über entscheidende Weichenstellungen in der Gemeinde blieben. Auch die Gemeinderatsmitglieder selbst durften sich über solche Themen nicht öffentlich äußern. Hier wurde unser Vorschlag einer Maximalfrist von zwei Monaten umgesetzt.
😊

2. Schnellere Behandlung von Anträgen
Anträge von Fraktionen oder Gemeinderatsmitgliedern müssen bislang spätestens nach drei Monaten im Rat behandelt werden. Hier haben wir vorgeschlagen, diese Frist auf zwei Monate zu verkürzen. Denn in der Vergangenheit wurde teilweise die Maximalfrist bewusst ausgenutzt (und sogar überschritten), mutmaßlich weil der Antrag nicht ins politische Konzept passte. Wir sind der Meinung: egal, ob man für oder gegen einen Antrag ist, er sollte zeitnah behandelt werden und nicht auf die lange Bank geschoben werden. Hier konnten wir uns nicht durchsetzen. Neben unserer Fraktion stimmte nur Gemeinderat Peter Schlecht (FWG) für diese Änderung.
🙁

3. Umfassendere Veröffentlichung der Tagesordnung
Dieser Punkt ist uns sehr wichtig. Wenn wir mehr Bürger*innen zur politischen Teilhabe motivieren wollen, müssen wir ihnen mitteilen, um was es geht. Wir haben daher gefordert, die Stellungnahme der Verwaltung sowie den Beschlussvorschlag zu veröffentlichen. Denn nur aus einer Überschrift kann man noch nicht erkennen, um was es sich bei einem Tagesordnungspunkt wirklich dreht. Unter Bürgermeister Gum wurde beides, Stellungnahme und Beschlussvorschlag, veröffentlicht, insofern ging es uns hier um die Vermeidung eines „Rückschritts“. Hier konnten wir uns nur zum Teil durchsetzen. Für die umfassende Veröffentlichung stimmte neben unserer Fraktion nur Gemeinderat Prof. Martin Dameris (SPD). Immerhin wurde als Kompromiss einstimmig akzeptiert, dass die Stellungnahme der Verwaltung veröffentlicht wird, soweit mit dem Datenschutz vereinbar.
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4. Vortragen von Bürgeranliegen
Auch bislang wurde zu Beginn jeder Sitzung den Bürger*innen die Möglichkeit gegeben, Fragen zu stellen. Dies war allerdings nur gelebte Praxis. Wir wünschten uns, das Thema auch offiziell zu regeln, damit die Bürger*innen wissen, woran sie sind. Außerdem wollten wir auch die Möglichkeit schaffen, Anliegen vorzutragen und nicht nur Fragen zu erlauben. In der Vergangenheit wurden desöfteren Bürger gemaßregelt, wenn sie ihre Ausführung nicht gleich mit einer Frage begannen. Leider stimmte der Gemeinderat in diesem Punkt geschlossen gegen unsere Fraktion. In der Praxis wird die Bürgerfragemöglichkeit aber weiterhin angeboten und Bürgermeister Klaus Kögel hat die Einführung einer festen Bürgersprechstunde außerhalb des Gemeinderats ins Spiel gebracht.
😐

Weitere Änderungen in der verabschiedeten Geschäftsordnung betreffen u. a. den Haupt- und Finanzausschuss, die Wertgrenzen für die Aufgaben des ersten Bürgermeisters und die Regelung für einen evtl. Ortssprecher.

Zusammenfassend ergibt sich ein durchwachsenes Bild. Es zeigte sich, dass das Thema Bürgerbeteiligung und Transparenz bei den anderen Parteien und Gruppierungen keinen so hohen Stellenwert besitzt. Unser Leitbild ist dagegen, dass gut informierte und eingebundene Bürger*innen ein Gewinn sind. Ein Gewinn sowohl in Bezug auf die Qualität der Entscheidungen als auch in Bezug auf deren Akzeptanz.

Natürlich ist die Geschäftsordnung nicht der einzige Hebel, um mehr Offenheit und Bürgerbeteiligung zu ermöglichen. Wir sind gespannt, wie sich die handelnden politischen Akteure in Seefeld künftig verhalten, wenn es um eine offene Informationspolitik und politische Teilhabe der Bürger*innen geht. Gleichzeitig werden wir weiterhin daran arbeiten, die Bürger*innen mit all ihren Ideen und Anliegen einzubinden und ihre Fachkompetenz zu nutzen und wertzuschätzen.

Ortwin Gentz